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: DIE HUNGERSNOT
... Die Große Hungersnot
Die meisten derer,
die das Land verließen, wollten in die USA auswandern. Viele flohen
allerdings aus religiösen Gründen und weil die Überfahrten billiger
und häufiger waren in ein ebenso wie Irland unter britischer Herrschaft
stehendes Gebiet, Britisch Nordamerika, das heutige Kanada. Der
Ort, von dem aus die meisten Menschen Irland verließen, war die
Hafenstadt Cobh (interessanterweise
auch die letzte Station der „Titanic“ vor ihrem Untergang auf ihrer
Jungfernfahrt).
Von
hier aus setzten Schiffe aller Art und Größe Segel, um in
die Fremde zu fahren, auch die wegen Überfüllung, schrecklicher
hygienischer Zustände und teilnahmsloser oder grausamer Besatzungen
gefürchteten „Sargschiffe“, die Coffin Ships. Viele verloren auf
diesen Schiffen nicht nur für immer ihre Heimat sondern ließen
auch ihr Leben. Auf der Überfahrt waren die Passagiere meist Wind,
Wetter und der See ausgesetzt, auf Schiffen, die unsicher und eigentlich
für den Gütertransport gebaut waren. Bedingt durch die extrem schlechten
hygienischen Zustände an Bord wüteten Typhus und andere Krankheiten
unter Passagieren und den Besatzungen. Im Jahr 1847 starben von
den fast 100.000 Menschen, die Irland in Richtung Kanada verlie&slig;en
5282 während der Überfahrt, 3389 weitere auf der Quarantäneinsel
Gros Ile, wenige Kilometer von Quebec entfernt.
Durch administrative Schlamperei und schiere Platzprobleme
auf der, durch stetig nachrückende Flüchtlinge, überfüllten Insel
gab es keine Trennung zwischen Gesunden und Kranken, so dass viele,
die die Überfahrt heil überstanden hatten, hier mit dem tödlichen
Typhus infiziert wurden. Viele der Neuankömmlinge waren Kinder,
die ihre Eltern auf der Überfahrt verloren hatten. Einige der Flüchtlinge
machten sich nach ihrer Ankunft auf den Weg in andere Teile Kanadas,
den Westen oder Osten, die meisten jedoch erfüllten sich ihren Traum
dem britischen Joch endlich zu entfliehen und gingen über die Grenze
in die USA.
Allein
1847 kamen 37.000 Iren in Boston an und mehr als 50.000 nach New
York. Die Flüchtlinge betraten ein Land, dessen Regierung zu dieser
Zeit offen antikatholisch eingestellt war. Auf Stellenangeboten
war auch der Satz „No Irish Need Apply“, Iren brauchen sich gar
nicht erst zu bewerben, zu lesen. Die Zustände in den US-amerikanischen
Quarantänestationen waren jedoch wesentlich besser als die, die
die Flüchtlinge in Quebec zu erdulden hatten. In der ersten Zeit
waren die einzigen Jobs, die Iren bekommen konnten, harte und oft
gefährliche körperliche Arbeit, so zum Beispiel im Gleis-, Straßen-,
Berg- und Hausbau.
Über die Jahre hinweg erarbeiteten die Iren sich
aufgrund ihrer Ausdauer und Hartnäckigkeit einigen Wohlstand in
ihrer neuen Heimat. Viele von ihnen machten Karriere beim Militär,
in der Politik oder als Geschäftsleute, wie zum Beispiel Henry Ford.
Heute gehören viele irischstämmige Amerikaner zu den Spitzenverdienern
der US-amerikanischen Gesellschaft. Der wohl berühmteste irischstämmige
US-Politiker war John F. Kennedy, der 1960 der erste irisch-amerikanische,
katholische Präsident der Vereinigten Staaten wurde. Sein Großvater
war 1847 aus New Ross in der Grafschaft Wexford ausgewandert.
In Irland sind inzwischen viele Museen eingerichtet
worden, die an die irischen Hungerjahre und ihre Folgen erinnern.
Das erste war das Famine Museum in Strokestown in der Grafschaft
Rosscommon, das 1991 von der damaligen irischen Präsidentin Mary
Robinson eröffnet wurde. Bei ihrer Eröffnungsansprache sagte die
Präsidentin, die Erinnerung an die Große Hungersnot habe sich
in diesem Teil Irlands am tiefsten in die Volksseele eingegraben.
Das Famine Museum befindet sich in dem ehemaligen Gutshaus des Strokestown
Estate, dessen Gutsherr Major Denis Mahon von seinen Pächtern umgebracht
wurde. Er hatte versucht, die Pächter von zwei Dritteln seines Grundbesitzes
loszuwerden, sowohl durch Massenvertreibungen, als auch durch Beihilfe
zur Überfahrt nach Kanada. Das Archiv für Gutsdokumente aus der
Zeit der Hungersnot ist einzigartig in ganz Irland.
In Cobh, welches zu dieser Zeit unter dem Namen
Queenstown bekannt war, sollte man das Cobh
Heritage Centre besuchen, das an die 2,5 Millionen Menschen
erinnert, die zwischen 1848 und 1950 das Land durch den Hafen von
Cobh verließen. Insgesamt wanderten in dieser Zeit über sechs Millionen
Menschen aus ganz Irland aus.
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